Vortrag Simone Linke im Zumsteinhaus

Wie werden Städte fit für den Klimawandel?

Passend zu unserer Aktion „Schwammintelligenz – Kempten wird klimafit“ luden wir (FLKE, BUND Naturschutz und das Klimaschutzmanagement der Stadt Kempten) am vergangenen Freitag zu einem spannenden Vortrag ein: Frau Prof. Dr. Simone Linke von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sprach über die „Grüne Stadt der Zukunft – klimaangepasste Quartiere“. Wir waren überwältigt: Mit über 60 Zuhörern war der Vortragssaal im Zumsteinhaus rappelvoll! Zu unserem großen Bedauern durften wir aus Brandschutzgründen gar nicht alle Interessierten einlassen. Kleiner Trost für alle, die nicht mehr reindurften: wegen des großen Zulaufs werden wir Frau Linke voraussichtlich noch einmal einladen.

Ganz offensichtlich trifft das Thema einen Nerv. Kein Wunder: Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher. Die Wucht von Unwettern mit Hagel, Starkregen und Überschwemmungen nimmt zu, gleichzeitig steigen die Temperaturen und sommerliche Hitze bereitet gerade in Städten gesundheitliche Probleme. Als Professorin für Stadtplanung und Landschaft beschäftigt sich Simone Linke intensiv mit den Fragestellungen, die mit diesen Veränderungen einhergehen: Was ist zu tun, um sowohl die Klimaerwärmung zu bremsen als auch die Lebensqualität in unseren Städten und Dörfern zu erhalten bzw. zu verbessern? Welche Änderungen im Denken, Planen und Gestalten unserer Wohn- und Arbeitsumgebung sind erforderlich?

Mithilfe von konkreten Zahlen, einprägsamen Grafiken und teils überraschenden Fakten zeigte die Referentin auf, welche bedeutende Rolle dabei Grünflächen und Gewässer als sogenannte „grün-blaue Infrastruktur“ spielen. Dass große, alte Bäume eine bessere (Klima-)Wirkung entfalten als Jungbäume, ist beispielsweise kein Geheimnis, aber wie groß der Unterschied ist, verblüffte dann doch: eine 80-jährige Linde erzielt das Zehnfache an Kühlwirkung wie eine 20-jährige und speichert etwa das Neunfache an CO2! Der Erhalt des Altbaumbestandes sei daher immens wichtig, so Linke. Frappierend ist auch, wie stark sich Tiefgaragen auf die Umgebungstemperatur auswirken. Der Hauptgrund: dort wachsen wegen der geringen Erdauflage in der Regel keine Bäume. Die gefühlte Temperatur im Innenhof eines Wohnkomplexes mit Tiefgarage kann daher über 5 °C höher sein als in einem baumbestandenen Hof ohne Tiefgarage. Mit anderen Worten: Tiefgaragen sind ein großer Mist, zumal sie sich nicht für eine Nachnutzung eignen. Der Stellplatzschlüssel* wiederum ist laut Linke eine der wichtigsten Stellschrauben, um durch weniger Autos und mehr Grünflächen das Stadtklima zu verbessern und Überhitzung entgegenzuwirken.

Wie sich herausstellte, sind viele Zusammenhänge komplizierter, als man denkt. So erklärte Linke, dass Bäume nicht an jedem Standort das Nonplusultra darstellen, sondern auch Luftströmungen behindern können und dass Grünflächen unter bestimmten Umständen mehr nächtliche Abkühlung bewirken als Flächen mit Bäumen. „Grün ist nicht gleich Grün“, so Linke; Durchlüftungsachsen, Mikroklima und durch Starkregen gefährdete Bereiche müssten genau analysiert werden, um grün-blaue Infrastruktur strategisch klug einzusetzen.

Im Anschluss an den Vortrag entspann sich eine lebhafter Austausch zwischen dem Publikum, der Referentin und dem Leiter des Stadtplanungsamtes Kempten, Florian Eggert. Herzlichen Dank an die Referentin für diesen tollen Vortrag! Wir freuen uns sehr, dass Simone Linke uns ihre Vortragsfolien zur Verfügung gestellt hat:

Weitere interessante Infos gibt es auf der Homepage des Forschungsprojekts „Grüne Stadt der Zukunft“, verschiedene weiterführende Publikationen zum Thema findet man hier.


*Der Stellplatzschlüssel regelt, wie viele Stellplätze für Kraftfahrzeuge beim Neubau eines Gebäudes auf den Grundstück (oder in der Nähe) geschaffen bzw. nachgewiesen werden müssen. In Kempten ist das derzeit z.B. ein Stellplatz pro Wohnung und zwei Stellplätze für jede Wohnung ab 110 qm oder für ein Einfamilienhaus. Legt ein Bauherr ein entsprechendes Mobilitätskonzept vor (mit Carsharing-Angeboten, einer guten ÖPNV-Anbindung und dergleichen), kann die Anzahl der Pflicht-Parkplätze reduziert werden. Es gibt übrigens auch Städte mit einer Fahrradstellplatzsatzung! In Kempten haben die Grünen gemeinsam mit der SPD und Freien Wählern übrigens bereits 2023 eine Änderung der Stellplatzsatzung beantragt.