… nach ermüdenden „Retro“-Diskussionen im Mobilitätsausschuss
Letzten Donnerstag fand eine dieser Sitzungen des Mobilitätsausschusses statt, bei denen ich mich per Zeitreise in die tiefsten Sechzigerjahre versetzt fühlte. Mobilitätsmanager Stefan Sommerfeld stellte die Planungen der Verwaltung für den Aybühlweg vor. Das ist die Straße, an der Cambomare, DAV-Kletterzentrum, TVK und die im Bau befindliche 10. Grundschule liegen. In Richtung Süden quert der Aybühlweg die Lindauer Straße und trifft schließlich auf den Heussring.
Im Wesentlichen gab es folgende Vorschläge*, für die laut Sommerfeld nur Beschilderungen und Markierungen nötig seien, keine nennenswerten baulichen Maßnahmen. Ziel sei die Attraktivierung für den Radverkehr und die Erhöhung der Verkehrssicherheit:
- Erweiterung der Tempo-30-Zone (bisher gilt Tempo 30 nur im Bereich der Sportstätten, ansonsten Tempo 50 und rechts vor links)
- Optische Verschmälerung der Fahrbahn durch Markierungen
- Markierung von Parkplätzen
- Zwei oder drei neue Baumstandorte
- Markierung von Radangebotsstreifen sowie von Aufstellflächen im Bereich der Kreuzung Lindauer Straße
Die Planung für den nördlichen Abschnitt fand allgemeine Zustimmung, doch die Kreuzung Aybühlweg/Lindauer Straße wurde hitzig diskutiert: Den Autofahrern eine Abbiegespur wegnehmen, um einen Radangebotsstreifen und eine Aufstellfläche zu schaffen? Inakzeptabel, fanden die Stadträte Helmut Berchtold, Josef Mayr (beide CSU) und Sibylle Knott (parteilos, aber in Vertretung von CSU-Stadträtin Hilde John): Wenn Geradeausfahrende, Links- und Rechtsabbieger sich eine Spur teilen, müssten womöglich Autofahrer an der Ampel warten. Sommerfeld beschwichtigte: die Gefahr eines Rückstaus sei an dieser Stelle gering.
Wohlgemerkt sah selbst Aufstellflächen-Fan Julius Bernhardt (Future for Kempten) eine Aufstellfläche an dieser Stelle kritisch. Doch bei Berchtold und Knott ging es eher ums Prinzip; die Einschränkung des Autoverkehrs zugunsten des Radverkehrs triggerte offensichtlich sehr tief sitzende Ängste. So echauffierte sich Berchtold darüber, dass man die Durchfahrt für Autos verbieten wolle (was gar nicht zur Debatte stand). Knott sah Aufstellfläche und Tempolimit als reine Schikane für Autofahrer. Argumente der Grünen-Stadträte Thomas Hartmann und Stefan Thiemann, dass die Lebensqualität für die Anwohner steige und der Lärmpegel bei niedrigeren Geschwindigkeiten deutlich sinke, wurden von ihr mit einem verächtlichen Schnauben quittiert.
Josef Mayr kritisierte in seiner gewohnt großväterlichen Art, dass sich die Verwaltung mit solchen Maßnahmen „austobe“, die wenig brächten, während an anderer Stelle die Infrastruktur in einem katastrophalen Zustand sei. Woraufhin ihn Baureferent Koemstedt darauf hinwies, dass die Grundsanierung einer Straße einen immensen Aufwand bedeute, mit Kosten im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Bei der geplanten Maßnahme ginge es darum, mit wenig Geld deutliche Verbesserungen für die Verkehrssituation und die Lebensqualität der Anwohner zu erreichen.
Man reibt sich angesichts dieser Diskussion die Augen: Bereits 2014 wurde ein Grundsatzbeschluss zur Ausweitung von Tempo-30-Zonen gefasst. Vor etwa sieben Jahren wurde zudem das Mobilitätskonzept vom Stadtrat beschlossen, das viele sinnvolle Maßnahmen im Sinne der Mobilitätswende enthält, insbesondere zur Förderung und Verbesserung des Rad- und Fußverkehrs. Doch im Mobilitätsausschuss lässt sich noch heute live erleben, wie eine politische Lobby den Rückwärtsgang einlegt, wenn es an die konkrete Umsetzung vereinbarter Ziele geht.
Stadtrat Thomas Landerer (Freie Wähler) begrüßte die Stärkung der Achse für den Radverkehr und hatte zum Schluss noch einen Vorschlag zur Güte: Man könne doch eventuell auf die Aufstellfläche an dieser Stelle verzichten und den Radverkehr stattdessen über „indirektes Linksabbiegen“ zunächst geradeaus über die Kreuzung führen, um ihn im zweiten Schritt (auf der anderen Straßenseite) nach links zu lenken. Nach der langen, hitzigen Diskussion stimmten alle Stadträte für den Beschlussvorschlag – außer Mayr, Berchtold und Knott. Die Planung für die Aufstellfläche versprach die Verwaltung zu überarbeiten.
Quelle: Open Street Map
* Für alle, die es genauer interessiert: Im Ratsinfoportal ist unter „Mobilitätsausschuss“ die Präsentation der Verwaltung zum Aybühlweg zu finden.