Podiumsgäste des "Bewegten Donnerstag" bei der Diskussion

Wenig Thuja, viel zusammenhängendes Grün

Der vergangene „Bewegte Donnerstag“ am 16. Januar 2025 im Kempten Museum war ein zweifach großartiger Tag für den Freundeskreis für ein lebenswertes Kempten. Zum einen saß bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Das Prinzip Schwammstadt – Wie Regenwasser unsere Stadt gestalten kann“ mit Angela Isop ein Mitglied des FLKE auf dem Podium. Sie diskutierte mit Florian Eggert, Leiter des Stadtplanungsamts der Stadt Kempten und Prof. Dr. Markus Keck vom Lehrstuhl für Urbane Klimaresilienz der Uni Augsburg über Perspektiven und Herausforderungen des Schwammstadt-Ansatzes – dazu gleich mehr.

Zum anderen wurden im Rahmen der Veranstaltung die Gewinner des Wettbewerbs „Schwammintelligenz – Kempten wird klimafit“ ausgezeichnet, den der FLKE gemeinsam mit dem BUND Naturschutz und dem Klimaschutzmanagement der Stadt Kempten letztes Jahr durchgeführt hatte. Sechs Einsendungen wurden ausgezeichnet, vom begrünten Garagendach bis zum knorrigen Spalierbaum an der Hausfassade. Alle Gewinnerinnen und Gewinner durften sich über einen 30-Euro-Gutschein der Bio-Gärtnerei Herb freuen. So hat die Schwammintelligenz noch einmal Auftrieb und Sichtbarkeit bekommen – alle Beispiele sind hier nachzulesen.

Das hochaktuelle Thema stößt bei den Kemptenern auf reges Interesse: wie bereits der Vortrag von Simone Linke („Grüne Stadt der Zukunft“) im Herbst 2024 war auch die Podiumsdiskussion bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Die Diskussion, die Franz G. Schröck vom architekturforum allgäu e.V. souverän moderierte, zeigte: Vielfach fehlt die rechtliche Grundlage für Maßnahmen und Verordnungen. Deshalb begnügt sich die Verwaltung häufig mit Informations- und Aufklärungsversuchen – die kaum wahrgenommen werden. In Durach beispielsweise sollten kürzlich Bauherren über Alternativen zu Thuja und Kirschlorbeer (beide ohne Nutzen für Insekten und Vögel) aufgeklärt werden – denn heimische, blühende und fruchtende Sträucher sind ein so viel besserer Lebensraum für kleine Tiere. Doch zur entsprechenden Veranstaltung erschien… niemand. Flyer und Aufklärungsplakate verpuffen neben den günstigen Standardhecken-Angeboten aus dem Baumarkt. Dabei gibt es sogar bei wintergrünen Pflanzen z.B. mit der Ölweide eine wunderbare Alternative, die bei Vögeln und Insekten sehr viel besser ankommt.

Schwammstadt-technisch ein Vorzeigeprojekt wird wohl die Parkstadt Engelhalde, hier sind Grün- und Versickerungsflächen an vielen Stellen fest eingeplant. Auch darüber hinaus beschäftigt sich der neuen Flächennutzungsplan 2040 der Stadt Kempten intensiv mit Begrünungs-, Naherholungs-, Aufforstungs- und Versickerungsbereichen. Vor allem letztere sind wichtig bei 51 Prozent versiegelter Stadtfläche, wie Prof. Keck für Kempten ausführte. Am Bachtelbach ist laut Florian Eggert schon vieles umgesetzt, was nun auch für den beim letzten Hochwasser außer Kontrolle geratenen Kollerbach nachgezogen werden muss. Richtung Betzigau wird geprüft, ob sich Weideland teilweise wieder Richtung Moor entwickeln darf – auch das wäre ein wunderbarer Schwamm.

Angela Isop brachte lebhaft und lebensnah ihre persönliche Erfahrungen bei der Umgestaltung des eigenen Gartens und bei der Entsiegelung ihrer Einfahrt in die Diskussion ein. Manch einer der Zuhörer konnte sich vermutlich gut einfühlen, als sie von so manchem „Kampf“ mit dem eigenen Ehemann erzählte (mit dem Gartenbauer als Paartherapeut) – und von verständnislosen, kritischen aber auch interessierten Reaktionen von Nachbarn und Passanten angesichts ihrer Entsiegelungsmaßnahmen: „Wie wollt ihr denn da Schnee schippen?“ (Laut Angela Isop funktioniert das übrigens einwandfrei.)

Sobald das Publikum in die Diskussion einbezogen wurde, kochte der Dauerbrenner Hildegardplatz hoch. Gefordert wurden (wie schon so oft) mehr Bäume und mehr Schatten – es gebe keinen Platz für Wurzeln wegen einer Vielzahl an Rohren und Kabeln, war (wie immer) das Gegenargument vonseiten der Verwaltung. Eine echte Annäherung gibt es aktuell wohl nicht, immerhin wird aber seitens der Stadt geprüft, ob mobile Bäume in extragroßen Pflanzkübeln angeschafft werden könnten. Außerdem sollen am St.-Mang-Platz in den nächsten Monaten mehrere Bäume entlang der Bäckerstraße gepflanzt werden – es passiert also nicht nichts. Darüber hinaus werden jetzt über das Projekt Smart City Datenerhebungen auf dem Hildegardplatz und im Hofgarten gemacht, um die Temperaturunterschiede quantifizieren zu können. Die Ergebnisse dürften wenig überraschend sein…

… Wobei: Wie viel Temperaturunterschied zusammenhängende Grüngebiete bewirken können, ist tatsächlich überraschend! Bis zu 8°C Unterschied bei den Temperaturen knapp zwei 2 Meter über dem Boden (Kopfhöhe) hat man mitten in München gemessen, berichtete Prof. Keck – je nachdem, ob eine Kaltluftschneise vorhanden und ausreichend groß war. Auch die neuen Kemptener Klima- und Bebauungskarten beschäftigen sich mit Luftströmen und weisen Kaltluftschneisen aus. Diese sollen künftig bei der Ausrichtung von Gebäuden besser berücksichtigt werden. Hoffentlich bleibt es nicht beim Vorsatz. Nur mit großen, zusammenhängenden Luftstrom-, Schatten- und Versickerungsflächen kann die Klimakrise in den Städten soweit abgemildert werden, dass diese bewohnbar bleiben.