Von Gold auf „Standard“ beim European Energy Award
Kempten erzielte laut Baureferent Tim Koemstedt mit 70,3% der erforderlichen Punkte immer noch ein „sehr gutes Ergebnis“ beim European Energy Award (eea). Das ist ein Zertifizierungsverfahren, mit dem Kommunen ihre Energie- und Klimaschutzpolitik bewerten lassen können. Mit gut 70% liegt Kempten deutlich über der Mindestanforderung von 50% für den „normalen“ eea-Standard. Den Goldstatus aus den Jahren 2016 und 2020 konnte unsere „Klimakommune“ bei der diesjährigen Rezertifizierung (die alle vier Jahre erfolgt) jedoch nicht halten. Dafür wären mindestens 75% nötig gewesen. Bewertet wurden folgende Kategorien:
- Entwicklungsplanung, Raumordnung 73,2%
- Kommunale Gebäude und Anlagen 55,3% (Problem: schlechte Sanierungsquote)
- Ver- und Entsorgung 66%
- Mobilität 67,1% (hat dank Ringbus und Tempo 30 in der Salzstraße aufgeholt)
- Interne Organisation 78,8%
- Kommunikation und Kooperation 83,4% (Pluspunkte gab es z.B. für die Klimaschulen)
Gründe für Kemptens Abstieg aus dem Gold-Olymp gibt es einige, der größte Knackpunkt ist, dass der Bewertungskatalog des eea angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise (und im Einklang mit Gesetzesänderungen) verschärft wurde. Man kann sich das Ergebnis so freilich schönreden. Alternativ könnte man natürlich auch mehr Ehrgeiz an den Tag legen, um die gestiegenen Ansprüche des eea zu erfüllen. Die Bewertung wurde schließlich aus gutem Grund angepasst: wegen der sich zuspitzenden Erderhitzung mit ihren katastrophalen Folgen. Einige Vorschläge dazu unten. Aber zunächst die Problempunkte en détail:
- Fernwärme (in Kempten in erster Linie aus Müllverbrennung) wird schlechter bewertet als früher
- Die Anforderungen des GEG (Gebäudeenergiegesetz) sind gestiegen
- Die Sanierungsquote ist zu gering. Das liegt daran, dass Kempten viele alte Gebäude im städtischen Bestand hat. Die aufwendige Rundumsanierung mit Keller-, Fassaden- und Dachdämmung, neuer Heizungsanlage, Austausch der Fenster etc. ist teuer. Baureferent Koemstedt wies darauf hin, dass es zwar Förderprogramme gebe, diese aber nur bei einer Generalsanierung abrufbar seien. Für Einzelmaßnahmen gebe es in der Regel keine Fördergelder. Die schlechte finanzielle Lage der Stadt sorgt also für einen Sanierungsstau.
- Konzepte allein werden nicht mehr so gut bewertet wie früher, der Fokus wird eher auf die Umsetzung gelegt. „Future for Kempten“-Stadtrat Dominik Tartler begrüßte dies – wir seien gut darin, Konzepte zu schreiben, müssten aber besser darin werden, sie auch umzusetzen. Das Ziel sei schließlich, reale Einsparungen bei den Treibhausgas-Emissionen zu erreichen. (DANKE für diesen Kommentar! Man denke nur an das Mobilitätskonzept und den Klimaplan 2030, die leider in den Diskussionen in den Stadtratsgremien oft überhaupt keine Rolle spielen.)
Verbesserungspotential im Bereich Mobilität sieht Baureferent Koemstedt vor allem in der Mitarbeitermobilität. Bei den Dienstfahrzeugen sei Kempten schon recht gut, eine Elektrifizierung der Nutzfahrzeuge (z.B. Bauhof) sei hingegen noch nicht umsetzbar.
A propos Mobilität: Die Einführung des Ringbusses und Tempo 30 in der Salzstraße (bisher nur Mo-Fr tagsüber) haben dazu beigetragen, dass die eea-Bewertung dieses Handlungsfeldes gegenüber den Vorjahren schon besser ist. Ich hätte weitere Ideen, um kostengünstig und mit wenig Aufwand Emissionen einzusparen und dabei auch noch die städtische Lebensqualität zu erhöhen: Tempo 30 in der Salzstraße auch nachts und am Wochenende (die Anwohner würden’s danken!); Überhaupt mehr Tempo 30 in der Stadt, zum Beispiel in der Rottachstraße oder in der Beethovenstraße / Freudenberg / Burgstraße; Tempo 40 (oder zumindest Tempo 50) auf dem gesamten Ring inklusive Anpassung der Grünen Welle; die Anbindung des Carl-von-Linde-Gymnasiums und anderer (Klima-)Schulen ans Radwegenetz… Mit deutlich mehr Tempo, Mut und Ehrgeiz bei der Umsetzung des Mobilitätskonzepts reicht es das nächste Mal sicher wieder für Gold!
Interessant ist übrigens ein Blick in die Übersichtskarte der teilnehmenden Kommunen und Landkreise: besonders viele „Gold“-Auszeichnungen findet man in Nordrhein-Westfalen und im Grün regierten Baden-Württemberg. Isny, Leutkirch, Scheidegg, Wangen – da kann man schon neidisch werden…