Wie heizen wir in Zukunft?

Deutschland will – und muss – weg von den fossilen Energien. Doch wo soll die Wärme für Heizung und Warmwasser herkommen, wenn Öl, Kohle und Gas als Energiequellen wegfallen?

Sicher kein Fehler, sich dazu Gedanken zu machen … Das Einsparpotential ist enorm: 30 % des deutschlandweiten CO2-Ausstoßes entstehen im Wärmesektor. Das Gebäudeenergiegesetz, das seit Januar 2024 gilt, schreibt den deutschen Kommunen vor, dass sie eine Wärmeplanung vorlegen müssen. Große Städte müssen bis Ende 2026 liefern, Städte in der Größe von Kempten eigentlich bis 2028. Doch erfreulicherweise sind wir unserer Zeit voraus, zumindest für bayerische Verhältnisse*: Der Auftrag zur Erstellung einer Wärmeplanung wurde bereits im letzten Herbst an das Freiburger Unternehmen „greenventory“ vergeben. In der Kemptener Stadtverwaltung wurde für die Koordination der Wärmeplanung eigens eine Stabsstelle eingerichtet. Geleitet wird sie von Antje Schlüter, der ehemaligen Leiterin des Stadtplanungsamts. Kürzlich gab sie interessierten Bürger*innen im Rahmen der „Klimagespräche“ im Altstadthaus einen Einblick in die kommunale Wärmeplanung. Die Infos aus ihrem Vortrag fasse ich in diesem Blogbeitrag zusammen.

Schlüter stellte klar, dass die Wärmeplanung zunächst einmal nur ein strategisches Planungsinstrument ist. Einzelne Projekte bzw. konkrete Maßnahmen stehen ganz am Schluss des Prozesses und unterliegen letztlich politischen Entscheidungen. Der Wärmeplan ist in den Klimaplan 2035 eingebettet und wird zu 90 % vom Staat gefördert. Der Förderantrag wurde bereits im Juli 2023 gestellt, der Wärmeplan ist in Arbeit und soll bis Ende 2024 fertig werden.

Der Wärmeplan wird in folgenden Schritten erstellt:

1. Bestandsanalyse (abgeschlossen): Ziel ist es, den Status quo zu erfassen. Dafür werden grundlegende Daten der Kommune eingespeist: Informationen darüber, wo überhaupt Gebäude stehen, was für Gebäude das sind, wo neue Quartiere entstehen sollen, wo Quartiere in die Jahre kommen usw. Aus all diesen Daten erstellt greenventory ein virtuelles Stadtmodell. Fun fact: Aus Datenschutzgründen dürfen keine einzelnen Gebäude erfasst werden, sondern immer nur Cluster von fünf Gebäuden. Hinzu kommen Daten vom Gewerbe (> wo gibt es Gewerbe mit besonders hohem Energieverbrauch und wie hoch ist dieser?), von den Energieversorgern und von Schornsteinfegern (> wo sind aktuell welche Heizungen verbaut?). Allein das Sammeln dieser Daten hat etwa ein halbes Jahr gedauert.

2. Potentialanalyse (in Arbeit): Ziel ist die Ermittlung der lokal verfügbaren Potentiale (> welche Quellen hat die Stadt zur Verfügung?). Gut für Kempten: Wir gehören zu den sonnenreichsten Regionen in Deutschland, die Sonnenenergie wird für den Wärmeplan also eine wichtige Rolle spielen. Mögliche Energiequellen sind:

  • Photovoltaik: Frei- und Dachflächen
  • Industrieabwärme (z.B. Folienfabriken /Gießereien / Schmelzwerke)
  • Solarthermie: Frei- und Dachflächen (d.h. Wärme, nicht Strom aus Sonne)
  • Geothermie: Sonden und Kollektoren (Tiefenbohrung oder oberflächennah)
  • Abwärme von Flüssen, Seen, Abwasser aus Dusche, Spül- und Waschmaschine (allerdings begrenzt, denn Kläranlagen brauchen eine gewisse Mindesttemperatur)
  • Biomasse (fraglich wegen Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und hohem Flächenverbrauch bei weit geringerem Ertrag als Windkraft oder PV)
  • Windkraft
  • Sanierungspotentiale (bisher nur 1 % der Gebäude jährlich)

3. Zielszenario: Ziel ist die klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2035:

  • Zukünftiger Wärmebedarf
  • Zukünftige Versorgungsstruktur / Einteilung in Versorgungsgebiete

4. Transformationspfad / Umsetzungsstrategie mit Maßnahmenkatalog (soll bis zum Winter fertig sein): Bewertung der Eignungsgebiete und möglichen Maßnahmen, zum Beispiel

  • Gebäudesanierung
  • zentrale Wärmenetze
  • dezentrale Wärmeversorgung
  • Weiterverwendung / Rückbau der Gasnetze
  • Erneuerbare Energien, Großwärmespeicher

Zwischen diesen Schritten finden Workshops mit Stadträt*innen, Versorgern, Verwaltung und Gewerbe statt. Ganz zum Schluss (voraussichtlich Ende 2024) ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung geplant.

Bei dem interessanten Vortrag und in der Diskussion mit den Zuhörern wurde deutlich, dass viele Entscheidungen nicht bei der Verwaltung, sondern in politischer Hand liegen (z.B. die Installation von PV auf allen städtischen Gebäuden oder die Nutzung von Wasserstoff). Besonders der Energieträger Wasserstoff wurde von vielen Seiten kritisiert (wie ja auch schon vom Freundeskreis und weiteren Akteuren im offenen Brief „Wasserstoff nicht verheizen“). Also, liebe Unterstützer*innen und Freund*innen, sprecht gerne den Stadtrat oder die Stadträtin eurer Wahl an und leistet Überzeugungsarbeit für die Erneuerbaren 😉

Ach, übrigens: Dänemark ist schon weitgehend defossilisiert und wundert sich über die Widerstände in Deutschland gegen den „Heiz-Hammer“. Die Berliner Morgenpost schreibt: Heiz-Vorbild Dänemark? Was die Dänen besser machen als wir


*unser Nachbar-„Ländle“ Baden-Württemberg ist wohl bereits fertig, Nordrhein-Westfalen und Hessen sind schon weit fortgeschritten mit der Wärmeplanung.