Sonnenschein und blauer Himmel — zum Demonstrieren ist der ungewöhnlich milde Winter zugegebenermaßen ganz angenehm. Und so reihen wir uns am 24.1. (wie immer) in den Demozug von Fridays For Future ein. Am Rathaus hält „Scientist For Future“ Timo Körber eine vortreffliche Rede, die deutlich macht, warum WIR JETZT handeln müssen, um die Klimaziele von Paris einzuhalten. Weil die Rede so gut ist, möchte ich sie an dieser Stelle zumindest in Auszügen wiedergeben.

„Eure Forderungen sind wissenschaftlich voll und ganz berechtigt!“ beginnt Körber und freut sich, dass sich so viele Kemptener Bürger und Initiativen den Jugendlichen angeschlossen haben. Er betont, dass das Thema Klima- und Umweltschutz keiner einzelnen Partei oder Bewegung gehört und auch nicht Teil irgendeiner Ideologie ist. „Es geht um ein Problem, das auf sehr gut verstandenen physikalischen Fakten beruht, über die in der Wissenschaft schon lange Einigkeit bestehen.“ Es sei gut, dass das Thema nun in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Und dennoch: die Maßnahmen, die ergriffen werden, seien bei weitem nicht ausreichend.

Timo Körber macht deutlich: „Wir haben ein unverhandelbares restliches CO2-Budget. Die 1,5 Grad Erderwärmung sind bereits ein harter Kompromiss: Schon 1,5 Grad verursachen Extremwetterereignisse und Dürrekatastrophen mit zehntausenden Toten pro Jahr. Der Meeresspiegelanstieg verdrängt Millionen von Menschen in Küstenregionen aus ihrer Heimat, und die 1,5 Grad führen zum Aussterben der meisten Korallenriffe. Das ist alles schon da bei 1,5 Grad!“

Deutschlands Budget sei in sieben Jahren aufgebraucht, wenn wir so weiter machen wie bisher. „Wenn jeder das macht, was wir hier in Deutschland machen, dann landen wir eben nicht bei 1,5 Grad, sondern eher bei 3-4 Grad Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts.“ Ein finanzielles Budget könne man überschreiten: „Man kann z.B. Schulden machen. Aber mit der Natur lässt sich nicht verhandeln, und die Schulden, die man bei ihr macht, werden so stark verzinst, dass weder wir noch die nachfolgenden Generationen diesen Preis bezahlen können!“

Unmissverständlich macht Timo Körber klar: Die Zeit der Kompromisse und Symbolprojekte ist vorbei, es ist Zeit für ein radikales Umdenken und echte Klimaschutzmaßnahmen. „Politik ist das, was möglich ist“, sagte Angela Merkel zur Verteidigung ihrer Klimapolitik — die ganze Kläglichkeit und Hilflosigkeit dieser Aussage tritt voll zutage, als Körber die Erkenntnis von Herbert Wehner, einem Politiker der Nachkriegszeit, danebenstellt: „Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen“.

Auf unsere Stadtpolitik heruntergebrochen heißt das: wir brauchen nicht nur einen neuen Masterplan für Klimaneutralität bis 2035 statt erst 2050, sondern auch schnelle und tiefgreifende Maßnahmen. „Da diese nicht allen recht sein werden und auch nicht im unmittelbaren Interesse aller sein können, brauchen wir einen mutigen Stadtrat und einen mutigen OB, der das Notwendige möglich macht!

Wichtig ist Körber, nicht allein der Politik die Schuld zu geben, sondern die Krise gemeinsam anzugehen. „So radikal wie die Politik handeln muss, musst Du handeln! Auch Du hast ein persönliches CO2-Budget. Ein Lebensstil, der verträglich mit dem 1,5 Grad-Ziel ist, darf nicht mehr als 2,5 Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Wir in Deutschland verbrauchen im Durchschnitt das fünffache – auf Kosten der Ärmsten dieser Welt, und auf Kosten unserer Kinder! Ein einziger Flug in die USA kostet 5 Tonnen CO2 – das ist dein doppeltes Jahrsbudget!“ ruft er den Demonstranten zu und wirbt dafür, die großen Hebel in unseren Leben anzupacken: „Keine Flüge mehr, viel weniger Auto, viel weniger tierische Produkte, viel weniger Neues kaufen.“

Versöhnlich endet Körbers Aufruf mit der Feststellung, dass dadurch unsere Lebensfreude nicht geringer wird: „Ich bin nicht der einzige, der genau das Gegenteil erlebt: Weniger ist mehr, und meistens kreativer und gesünder,“ schließt er, „und die Freude, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben, lässt sich mit Geld nicht aufwiegen.“

Timo Körber ist „Scientist For Future“ und Mitgründer von „Kempten muss handeln!“