
Bauprojekt in der Ellharter Straße 49
Es ist zum Verzeifeln. Schon wieder gefährdet ein Bauprojekt Großbäume in Kempten. Diesmal gibt nicht die Stadt, sondern ein privater Bauträger Anlass zur Sorge. Auf einem ehemaligen Villengrundstück im Stadtteil Haubenschloss sollen drei mehrgeschossige Wohngebäude mit Tiefgarage errichtet werden. Auf dem Grundstück befinden sich mehrere große erhaltenswerte Bäume. Genauere Infos zum Baumbestand sucht man als „Normalbürgerin“ leider vergeblich, das (angeblich vorhandene) Baumgutachten ist nicht im Ratsinfoportal hinterlegt.
Fest steht: Die geplante Tiefgarage nimmt fast die gesamte Grundstücksfläche ein und reicht bis in den Kronen- und damit in den Wurzelbereich der angrenzenden Bäume hinein. Was bei dem Projekt besonders aufstößt: Die Planer zeigen keinen Willen, den Baumbestand zu erhalten, obwohl der Gestaltungsbeirat dies bei der ersten Vorstellung des Projekts im Dezember 2024 unmissverständlich gefordert hatte („Der Schutz des Baumbestands hat absolute Priorität“).
Ausgesuchte Bauprojekte werden in Kempten dem sogenannten Gestaltungsbeirat vorgelegt. In diesem Gremium befassen sich namhafte externe Architekten mit städtebaulich bedeutsamen Projekten und unterstützen die Stadt mit ihrer Expertise. Erfreulicherweise hat man hier durchaus ein Herz für Bäume und weiß mindestens ihre städtebauliche Wirkung (und vermutlich auch alle weiteren wichtigen Funktionen) zu schätzen. Die Vorgaben des Gestaltungsbeirats sind fachliche Empfehlungen für die kommunalen Entscheidungsträger und daher ist es auch aus Prestigegründen üblich, den Empfehlungen des Gremiums zu folgen.
In diesem Fall ist das fraglich. „Nach wie vor wird der den Ort prägende Grünbestand (gemäß Baumgutachten insgesamt 16 Bäume, davon 9 erhaltenswert, 3 bedingt erhaltenswert, 4 nicht erhaltenswert) auf 5 Bäume […] reduziert“, so der Vorsitzende des Gestaltungsbeirats Thomas Glogger und seine Kollegin Eva Fischer bei der Wiedervorlage des Projekts Anfang Februar. Weiter urteilt der Gestaltungsbeirat in seinem Gutachten: „Kritisch gesehen wird zudem der nicht vorhandene Abstand der Tiefgarage zu den Kronen dieser beiden Baumstandorte“ und dringt auf einen Mindestabstand von 1,50 m. Dieses Maß gibt auch die offizielle Richtlinie R-SBB* vor.
Schnell stehen von Architekten- und Bauträgerseite die Argumente im Raum, dass man ja schließlich Wohnraum schaffe und dass es wichtig sei, nachzuverdichten (also platzsparend innerhalb der Stadtgrenzen zu bauen statt auf die grüne Wiese außerhalb). Freilich ist Nachverdichtung wichtig, aber vielleicht geht es ja auch mittiger, kompakter und mit kleinerer Tiefgarage? Man muss doch nicht ausgerechnet bis ganz an den Rand hinbauen, wo die Bäume stehen! Meines Erachtens sind Bauen und Bäume mit etwas gutem Willen durchaus vereinbar.
Es bleibt spannend, wie es mit diesem Bauprojekt weitergeht. Muss der Bauträger und sein Architekt nur lang genug an seinem Entwurf festhalten, bis der Gestaltungsbeirat aufgibt und es am Ende wieder heißt: „Bau schlägt Baum“? Mit dieser Formel wird man der Herausforderung, eine klimaangepasste Stadt zu schaffen, jedoch keinesfalls gerecht. Vielleicht haben Stadt und Bauausschuss endlich mal den Mut, wie der Gestaltungsbeirat die Vorlage einer Alternativplanung mit Baumerhalt zu fordern. Ich jedenfalls freue mich über diese klare Haltung! Die Stadt sollte die Steilvorlage „verwandeln“ und alles daransetzen, die wertvollen, stadtbildprägenden Bäume zu erhalten.
Hier gibt’s weitere Infos zu Baumschutz auf Baustellen:
https://galk.de/startseite/r-sbb-richtlinien-zum-baumschutz-auf-baustellen
Beitragsfoto/Screenshot Bayernatlas: © Bayerische Vermessungsverwaltung (2024); Datenquelle: Geoportal Bayern www.geoportal.bayern.de