Rathaus Kempten

„Smiley-Tafeln“ oder Blitzer: Was verbessert die Verkehrssicherheit?

Wer mich kennt, wird jetzt staunen: Ich entstamme einer richtigen Raser-Familie, in der es vollkommen normal war, mit 70 Stundenkilometern ungebremst durch kleinere Ortschaften zu brettern – Tempolimits galten als Gängelung. In Baden-Württemberg, wo ich herkomme, würde ich mit dieser Einstellung heute ziemlich arm werden. Dort stehen in quasi jeder Stadt ein oder mehrere Blitzgeräte. In ganz Bayern hingegen gibt es laut der Sendung „quer“ vom 30.1.2025 lediglich zwölf fest installierte Blitzer (gegenüber 1.000 in BaWü).

Mit meinem Fahrstil habe ich mich schon lange vom Elternhaus emanzipiert, abgesehen davon bin ich sowieso fast nur mit dem Rad unterwegs. Geblitzt worden bin ich schon lang nicht mehr. Dennoch fand ich die Diskussion im letzten Mobilitätsausschuss zu Geschwindigkeitsmessungen in Kempten sehr spannend. Schließlich sind zu schnell fahrende Autos besonders für Fußgänger und Radfahrer nicht ganz ungefährlich…

Laut Nadine Briechle, Leiterin des Rechts- und Standesamts, überwacht die Stadt (im Einvernehmen mit der Polizei, die ebenfalls Geschwindigkeitsmessungen vornimmt) mit einem einzigen mobilen Blitzgerät den Verkehr in besonders gefährdeten Verkehrsbereichen – zum Beispiel vor Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern oder Altenheimen. Besonders viele Verstöße werden in der Memminger Straße (wo tagsüber Tempo 30 gilt), in der Ludwigstraße (gegenüber einer Kita), in der Lindauerstraße (am Hildegardis-Gymnasium) und in der Lenzfriederstraße verzeichnet.

Laut Briechle ist bisher kein Erziehungseffekt festzustellen. Umso wichtiger sei es, häufig zu messen. Der Vorteil der vielen Verstöße: die Bußgelder tragen dazu bei, die Abteilung kostendeckend zu tragen. So kamen im letzten Jahr in der Memmingerstraße 145.000 € Bußgeld wegen Geschwindigkeitsverstößen zusammen. Die Schlussfolgerungen der Stadträte waren völlig unterschiedlich: Helmut Berchtold (CSU) schlug vor, auf das Blitzen zu verzichten und stattdessen auf „Smiley-Tafeln“ (Geschwindigkeitsanzeigetafeln) als erzieherische Maßnahme zu setzen. Thomas Hartmann (Grüne) sah das anders: „Smiley-Tafeln“ würden gerne ignoriert, den größten Erziehungseffekt hätten Strafzahlungen. Gerti Epple (ebenfalls Grüne) meinte, Ziel sei es, dauerhaft für Sicherheit zu sorgen und plädierte dafür, sowohl „Smiley-Tafeln“ als auch Blitzer einzusetzen. Julian Bernhardt (Future for Kempten) wies darauf hin, dass man sich in der Schweiz dank saftiger Geldstrafen an Tempolimits hält. Dem schloss sich Briechle an: Geschwindigkeitsüberschreitungen seien hierzulande zu billig. Joachim Saukel (Freie Wähler) wiederum stellte die naheliegende Frage: Warum gibt es keine festen Blitzer in Kempten? Hier dürfte der Erziehungseffekt am größten sein, denn zumindest Ortskundige merken sich die Stelle, wo geblitzt wird, und halten sich entsprechend an das Tempolimit. Daraufhin erklärte Mobilitätsmanager Stefan Sommerfeld, die Kommune könne nach eigenem Ermessen dauerhafte Blitzer installieren, dies müsse nur beschlossen werden. Na, dann, lieber Stadtrat…! Ein festes Blitzgerät kostet übrigens zwischen 80.000 und 100.000 €, ein mobiles Gerät ca. 60.000 € zuzüglich Personalkosten.

Die Stadt besitzt derzeit nur EIN mobiles Blitzgerät. Dieses ist sechs Tage die Woche ca. vier bis sechs Stunden im Einsatz. Das zweite Gerät war veraltet und nicht mehr kalibrierbar. Ersatz wurde bereits bestellt und kann aus Haushaltsresten finanziert werden. Das Problem an mobilen Blitzgeräten sind laut Briechle die hohen Personalkosten: Das Gerät darf nicht einfach in einem Auto installiert und abgestellt werden, sondern erfordert einen „aufmerksamen Messbetrieb“ durch geschultes Personal. Daher schlug die Verwaltung vor, einen sogenannten „Enforcement Trailer“ (für ca. 100.000 €) anzuschaffen. Dieser Anhänger, in dem ein mobiles Gerät eingebaut werden kann, kann zehn Tage am Stück personalautonom an geeigneter Stelle platziert werden. Es dürfte sich durch die Einnahmen schnell amortisieren. Die Anschaffung wurde mit einer Gegenstimme von Stadtrat Thomas Landerer (Freie Wähler) vom Mobilitätsausschuss beschlossen.

Lustig fand ich, dass alle Stadträt*innen darauf pochten, dass es beim Blitzen nicht ums Geldverdienen, sondern ausschließlich um die Sicherheit gehe. Dass die Stadt durch die Blitzerei auch Einnahmen generieren kann, scheint bei uns im Kempten anrüchig zu sein. Ganz anders in der Gemeinde Kirchseeon, wo ein fester Blitzer nicht nur für Verkehrsberuhigung und dadurch mehr Sicherheit sorgt, sondern auch über eine Million Euro in die Stadtkasse gespült hat, wie in der oben genannten Sendung „quer“ berichtet.

Zum gleichen Thema bei BR24: Million dank Blitzer. Warum Bayern trotzdem wenig kontrolliert