
Frustrierend und skandalös
Während die Baumfällungen im Stadtpark nachvollziehbar sind, machen uns andere Fäll-Aktionen wütend und ratlos: In der Kotterner Straße 50, gegenüber der Allgäuhalle, wurden am 7. Februar vier kerngesunde, große, alte Linden gefällt – zugunsten eines Erweiterungsbaus (nein, keine Wohnungen, sondern eine Garage/Lagerhalle) der Baugenossenschaft Kempten (BG). Im Bauausschuss vom 28. Januar hatten die Stadträte einstimmig für die Befreiung von der Baumschutzverordnung gestimmt.
Wir wollten mit 40 spontan zusammengetrommelten Leuten gegen die Fällung protestieren – kamen aber leider zu spät: Die Linden wurden uns buchstäblich vor der Nase weggeholzt! Der Fall ist äußerst intransparent und wir versuchen seit Tagen, Licht ins Dunkel zu bringen. Was wir wissen – und was wir uns fragen:
Das Grundstück gehört der Stadt Kempten und soll an die BG vermietet werden. Was wir nicht verstehen: Warum stimmte die Stadt Kempten (und stimmten alle Stadträte im Bauausschuss) ohne Not Baumfällungen auf ihrem eigenen Grund zu, die ein potentieller Mieter vornehmen möchte? Die Stadt hat doch eine Vorbildfunktion und sollte zumindest auf ihren eigenen Grundstücken die Baumschutzverordnung einhalten und ihre bzw. unsere Bäume schützen.
Damit nicht genug, gefährdet das Abholzen der vier Bäume die restlichen fünf Linden und verschärft ihre Anfälligkeit für Windbruch. Die anstehende Baumaßnahme bedeutet „Alarmstufe Rot“ für das Wurzelwerk der verbleibenden Linden; es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Bäume maximal geschützt werden!
Wie wir alle wissen, sind Großbäume nicht nur schön anzuschauen und wichtig für Insekten und Vögel, sondern vor allem für das Stadtklima relevant und damit für die Gesundheit der städtischen Bevölkerung. Sie produzieren Sauerstoff, reinigen die Luft, kühlen die Stadt an heißen Tagen und speichern Wasser. Damit mildern sie die Gefahr von Überschwemmungen bei Starkregenereignissen. In der Umgebung gibt es bereits jetzt wenig Grün und viel Grau, z.B. die riesige Parkfläche an der Allgäuhalle. Die Fällung der Linden bedeutet mehr Hitze in diesem Stadtteil, mehr Versiegelung etc. Also genau das Gegenteil des Schwammstadt-Prinzips, das wir für eine „klimafitte“ Zukunft brauchen und das die Stadt, insbesondere das Kimaschutzmanagement, aus guten Gründen propagiert.
Eine undurchsichtige Rolle spielt in diesem Drama die Höhere Naturschutzbehörde in Augsburg, welche die Genehmigung für die Entfernung von Saatkrähennestern erteilt hat, jedoch nicht über das Aussetzen der Baumschutzverordnung (BSVO) und damit über die Fällung zu entscheiden hatte. Das Kemptener Umweltamt wiederum hat das offenbar in kürzester Zeit erledigt. Doch auf welcher Grundlage wurde überhaupt eine fundierte Begründung für die Befreiung von der BSVO aus dem Ärmel geschüttelt? Es lag ja nicht mal ein richtiger Bauantrag vor. Was wir uns auch fragen: Wie wurde eigentlich der Wert der Bäume und die Anzahl an nachzupflanzenden Bäumen berechnet? Das wollen wir noch gemeinsam mit dem BUND Naturschutz herausfinden…
Noch eine Frage, die sich stellt: War der (Erbpacht-)Mietvertrag überhaupt schon unterschrieben? Wenn man davon ausgeht, dass dem nicht so ist, wäre es schon fragwürdig, dass ein Mieter, der noch gar keinen Vertrag hat, aufgrund einer BauVORanfrage Bäume auf städtischem Grund fällen lässt. Zumindest ist das Vorgehen äußerst unüblich: Nach dem Bescheid einer Bauvoranfrage gilt in der Regel ein vierwöchiges Einspruchsrecht, das in diesem Fall nicht abgewartet wurde. Immerhin gibt es einen Nachbarn (Haus Nr. 48), für den dieses Einspruchsrecht hätte gelten müssen. Eine Bauvoranfrage ist jedenfalls nicht rechtlich gleichzusetzen mit einem Bauantrag. Wie kann es sein, dass der Bauausschuss eine Befreiung von der Baumschutzverordnung beschließt, obwohl nicht einmal ein offizieller Bauantrag vorliegt?!
Was bleibt, sind neben dem Entsetzen viele Fragezeichen und ein schales Gefühl, dass hier nicht mit offenen Karten gespielt wurde. Ob das Vorgehen legal war oder nicht: als Bürger*in wünscht man sich statt solcher intransparenter Hauruckmanöver jedenfalls ein anderes Vorgehen bei Bauvorhaben auf städtischem Grund!


