Kempten wächst – doch wo und wie können alle Bürger*innen unterkommen, ohne dass zusätzlich wertvolle Flächen versiegelt werden oder der Verkehr kollabiert? Welche Potentiale schlummern in unserer Stadt und wie begegnet man der zunehmenden Gefahr von Starkregen-Ereignissen? Gleich zwei spannende Themen hatte der Bauausschuss am 22.9. zu bieten, denn die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans steht an. Zugegeben, der sperrige Begriff klingt wenig verlockend. Wie wichtig eine durchdachte Stadtplanung für Umwelt, (Stadt-)Klima und allgemein für die Lebensqualität ist, wird aber beim Zuhören schnell klar:
Vortrag Nummer eins: Frau Skorka vom gleichnamigen Planungsbüro, das gemeinsam mit Baader Konzept im Auftrag der Stadt ein Innenentwicklungskataster für Kempten erstellt hat. Darin wurden sämtliche Flächen ab einer Größe von 250 m² erfasst und ihre Potentiale beurteilt: unbebaute oder geringfügig bebaute Flächen, leerstehende Wohngebäude, gewerbliche Brachen, Wohngebäude mit anstehendem Generationswechsel und und und… Erfasst wurden Gebäudehöhen und Grünräume genauso wie Parkflächen und Straßenzüge. Aus dieser Fülle an Daten hat das Planungsbüro Vorschläge erarbeitet, wie einzelne Quartiere, Straßenzüge etc. städtebaulich verändert und positiv entwickelt werden können. Die Aufstockung von Gebäuden, die „räumliche Fassung“ von großflächigen Straßen oder Überbauung von Parkanlagen sind einige Beispiele, wie qualitätsvoll und optisch ansprechend Platz geschaffen werden kann, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln.
Einzelheiten dazu im Ratsinfoportal (Die Präsentation ist leicht zu finden über die „Recherche“-Funktion, Stichwort Innenentwicklungskataster). Herausheben möchte ich nur folgende Stichpunkte:
- Mit 70 Hektar hat Kempten einen hohen Anteil an großflächigen Parkierungsanlagen, was im Vergleich zu anderen Städten ausgesprochen viel ist.
- Thematisiert wurde auch die (notwendige) Veränderung der Mobilität, unter anderem der Ausbau von Carsharing, um den enormen Flächenverbrauch durch Auto-Infrastruktur einzudämmen.
- Als wichtig erachtet wurde ein Freiraumkonzept, also Räume für Grün, Naherholung, Spiel, Stadtklima. Außerdem wies das Planungsbüro ausdrücklich darauf hin, dass man gerade beim Stadtgrün Kompensation in Form von Dach- und Fassadenbegrünung mitdenken müsse und durchlaufende Grünzüge schaffen sollte.
Vortrag Nummer zwei: Reinhard Beck vom gleichnamigen Ingenieurbüro aus Wuppertal hat – ebenfalls im Auftrag der Stadt Kempten – eine Starkregengefahrenkarte erstellt. Angesichts der zunehmenden Wahrscheinlichkeit von extremen Niederschlagsereignissen durch den Klimawandel ist diese ein unverzichtbares Mittel für die Stadtplanung. Auf der digitalen Karte kann man erkennen, welche Fließwege Regenwasser bei außergewöhnlichen Starkregen-Ereignissen nimmt und wo es sich sammelt. Die Karte soll im neuen Flächennutzungsplan bzw. bei der Bauleitplanung berücksichtigt werden. Auch dieser Vortrag ist im Ratsinfoportal einsehbar (Stichwort Starkregengefahrenkarte).
Eins zeigt sich deutlich: Die Bedeutung von Stadtgrün oder die Notwendigkeit, möglichst wenige Flächen zu versiegeln, können längst nicht mehr als grüne Spinnereien einiger langhaariger Birkenstockträger abgetan werden. „Grüne Lebensqualität“ und der Klimawandel mit seinen Folgen sind zentrale Themen bei hochseriösen Planungs- und Ingenieurbüros. In der Stadtverwaltung und bei verschiedenen Stadträt*innen ist der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit beim Städtebau erkennbar vorhanden; bleibt zu hoffen, dass sie Gehör finden.