
Gespräch mit Oberbürgermeister Kiechle zu Baumschutz in Kempten
In der Kotterner Straße 50 wurden im Februar vier kerngesunde Großbäume auf städtischem Grund gefällt – zugunsten einer Garage der Baugenossenschaft Kempten (BG) (siehe Blogbeitrag Baumfällungen in der Kotterner Straße). Gemeinsam mit dem BUND Naturschutz hat der Freundeskreis Lebenswertes Kempten bei der Stadt Kempten nachgehakt: Wir wollten verstehen, wie es zu dieser Entscheidung kommen konnte und austarieren, wie ein solches Debakel in Zukunft verhindert werden kann.
Nach dem Umweltinformationsgesetz haben Umweltverbände wie der BUND Naturschutz ein Recht auf Akteneinsicht und so forderten wir in einem ersten Schritt sämtliche Unterlagen an. Diese wurden allerdings schleppend und zum Teil erst sechs Wochen nach der Fällung zugesandt. Bei Durchsicht der Unterlagen wurde deutlich, dass mehrere Mitarbeiter der Verwaltung die Fällungen abgelehnt hatten. Trotzdem entschied der Bauausschuss einstimmig, dass die Linden gefällt werden dürfen.
Am 9.4.2025 stand uns (nach langem Warten auf einen Termin) Oberbürgermeister Kiechle Rede und Antwort. Vonseiten der Stadt Kempten nahmen an dem Gespräch außerdem Tim Koemstedt (Leitung Baureferat), Andrea Gengenbach (Leitung Umweltamt), Tina Großmann (Leitung Grünamt) sowie Josef Rauner (Baummanager) teil; den BUND Naturschutz und den Freundeskreis vertraten Julia Wehnert, Sarah Klüpfel, Angela Isop und Gesine Weiß.
Ein wichtiges Anliegen war uns, darauf hinzuweisen, dass die Fällung der Linden in scharfem Gegensatz zu den Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen der Stadt Kempten steht. Konzepte wie die „Schwammstadt“ wurden im Rahmen des Klimaplans vom Stadtrat beschlossen. In diesem Fall hat die Stadt ihre eigene Baumschutzverordnung (BSVO) ausgehebelt. Damit wird sie ihrer Vorbildfunktion in keinster Weise gerecht!
Rein baurechtlich gesehen wurde der Vorgang im Ausschuss soweit korrekt abgewickelt. OB Kiechle gab sich zerknirscht und erklärte, dass er unter großem Zeitdruck stand. Offenbar reichte die BG (als „langjährige, gute Partnerin beim Wohnungsbau“) relevante Unterlagen auf den letzten Drücker ein und drängte auf eine schnelle Entscheidung. Ausschlaggebend war wohl letztlich ein Schreiben der Höheren Naturschutzbehörde in Augsburg, die der BG unter Auflagen die Genehmigung für die Entfernung von Saatkrähennestern erteilte und damit auch die Fällung der vier Linden ermöglichte. Letztlich wurde das Kemptener Umweltamt dazu angehalten, sich den Vorgaben „von oben“ (Beschluss des Bauausschusses, artenschutzrechtliche Genehmigung der Regierung von Schwaben) zu fügen und die Befreiung von der BSVO zu erteilen.
Zu Recht wies OB Kiechle darauf hin, dass sich in der Sitzung kein einziger Stadtrat gegen die Fällungen aussprach. Zumindest hätte man sich gegen eine überstürzte Entscheidung verwehren und den TOP vertagen können. Bei aller berechtigten Kritik am Abstimmungsverhalten des Bauausschusses bleibt für uns dennoch die Frage unbeantwortet, warum die Causa überhaupt wie der Antrag eines „normalen“ privaten Bauträgers behandelt wurde. Das Totschlagargument „Baurecht schlägt Baumrecht“ kann in diesem Fall nicht geltend gemacht werden: Zwar wurde für den zukünftigen Mieter (der zum Zeitpunkt der Sitzung noch nicht einmal den Miet- bzw. Pachtvertrag unterschrieben hatte) formal Baurecht geschaffen, aber als Eigentümerin der Bäume hätte die Stadt einer Fällung nicht zustimmen müssen.
Unsere Frage, ob von der Baugenossenschaft Planungsvarianten (mit und ohne Baumfällung) eingefordert wurden, bejahte Herr Koemstedt – wobei die BG zwar mehrere Entwürfe, jedoch keine Variante mit Baumerhalt einreichte und die Stadt irgendwann – ja was eigentlich – aufgab? Die Anpachtung städtischer Parkplätze auf dem Gelände wurde offensichtlich gar nicht geprüft – warum nicht, blieb trotz mehrfacher Nachfragen unbeantwortet.
Im Gespräch mit OB Kiechle kritisierten wir außerdem, dass die Stadt relevante Unterlagen teilweise erst mit erheblicher Verzögerung dem BUND Naturschutz zur Verfügung stellte, so dass gegebenenfalls mögliche Klagefristen zwischenzeitlich verstrichen waren. Denn die Linden wurden wenige Tage nach dem Bescheid des Umweltamtes am 7.2. gefällt und die Unterlagen wurden erst am 4.3. zur Verfügung gestellt.
Die Anzahl an nachzupflanzenden Bäumen (in diesem Fall acht) ergibt sich laut Umweltamt aus dem üblichen Richtwert der BSVO. Wir wiesen darauf hin, dass zwei Jungbäume realistisch betrachtet nicht einmal ansatzweise eine große, etwa 80-jährige Linde ersetzen. Eigentlich müssten pro gefälltem Baum mit Stammumfang 150 cm mindestens 10 Bäume im Alter von 20 Jahren gepflanzt werden, um die Umweltfunktionen zu ersetzen. Für die Kottener Str. müssten also 40 Bäume im Alter von 20 Jahren gepflanzt werden, werden noch jüngere Bäume als Ersatzpflanzung verwendet, dann wesentlich mehr!
Gegen Ende des Gesprächs wiesen wir darauf hin, dass zumindest die verbleibenden fünf Linden maximal geschützt werden müssen. Dies ist auch die Grundbedingung in der artenschutzrechtlichen Befreiung der Regierung von Schwaben. Eine gute Nachricht hatte diesbezüglich Baumschutzmanager Rauner: Mittlerweile wurde durch ein spezielles Gerät (eine Art Wurzeldetektor) die Ausdehnung des Wurzelwerks der verbleibenden Linden vermessen. Laut Rauner befinden sich die Wurzeln mit ca. 1,5 Metern Entfernung erstaunlich nah am Stamm der Bäume. Die am weitesten entfernte Wurzel sei etwa vier Meter entfernt. Zumindest für den Wurzelbereich kann demnach weitgehend Entwarnung für kommende Baumaßnahmen gegeben werden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Gefahr des Windbruchs infolge der Fällung der vier Linden weiterhin besteht. Immerhin wurde die BG für die verbleibenden fünf Linden in die Verantwortung genommen: Pro Baum hat die Stadt eine sehr hohe Strafzahlung festgelegt, falls er Schaden nimmt.
Unser Fazit: Einige offene Fragen konnten wir klären, vieles blieb im Vagen – auf jeden Fall konnten wir unsere Kritik anbringen und hoffen darauf, dass bei künftigen Entscheidungen der Schutz des Baumbestands stärker in den Blick genommen wird. Zum Abschluss des Gesprächs übergaben wir der Stadt folgende Vorschläge für mehr Baumschutz in Kempten:
