Kürzlich wurde ich auf einen Vortrag von Erwin Thoma hingewiesen. Der Forst- und Betriebswirt aus Österreich baut Vollholzhäuser, ist leidenschaftlicher Baumfan, Autor – und ein begnadeter Redner. Unter den Architekten in meinem Bekanntenkreis ist Thoma nicht ganz unumstritten, da manche seiner Ansichten dem ein oder anderen zu esoterisch angehaucht sind (Stichwort „Mondholz“). Außerdem ist er Unternehmer und möchte seine „Ware“ an den Mann bringen, insofern ist eine gewisse Skepsis gegenüber seinen Ausführungen sicherlich angebracht. Dennoch: Thomas Rede auf dem C2C-Kongress 2017 zum Thema Bauen mit Holz ist ein echtes Highlight!
C2C – nie gehört? Dann wird’s Zeit: „Cradle to Cradle – „von der Wiege zur Wiege“ – will Produkte und Dienstleistungen so gestalten, dass all ihre Bestandteile gesund sind und in kontinuierlichen Kreisläufen zirkulieren“, beschreiben die C2C’ler auf ihrer Homepage selbst das Prinzip. Auf’s Bauen bezogen heißt das: stecken statt verleimen, keine (Plastik-)Beschichtungen, keine giftigen Materialien,… Alle Baustoffe sollen komplett zurückgebaut und wiederverwendet werden können – und sogar noch einen Mehrwert schaffen.
Genial eigentlich – seltsam, dass sich das Kreislauf-Prinzip noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat. Es wird nicht nur auf’s Bauen angewendet, sondern auf alles, was der Mensch produziert, vom T-Shirt zum Auto. C2C ist im Grunde genommen eine Lebensphilosophie. Man kann den „Erfinder“ von C2C, Prof. Dr. Michael Braungart, schrullig finden, aber, ach, er hat so Recht! Viele unserer Umwelt-, Klima- und Müllprobleme würden sich in Luft auflösen, wenn Hersteller bereits bei der Planung überlegen (müssten), was am Ende der Nutzungszeit aus ihren Produkten werden soll.
Weil es so schön ist, lasse ich die gnadenlos positiv denkenden Kreislauf-Philosophen weiter zu Wort kommen: „Lasst uns die Ketten alter Denkmuster sprengen, um alles um uns herum von Anfang bis (Neu-)Anfang zu denken und zu gestalten, von der Wiege zur Wiege.
Ein Blick in die Natur zeigt uns, wie das funktionieren kann: Ameisen sind zwar viel kleiner als wir Menschen, aber zusammengenommen ist ihre Biomasse um ein Vierfaches größer. Obwohl sie sich in fast allen Lebensräumen angesiedelt haben, stellt ihre Existenz kein Problem für die Umwelt dar! Was ist ihr Geheimnis? Sie sind wahre Wiederverwertungsmeister, die nicht nur ihre eigenen Materialien recyceln, sondern auch die Abfälle anderer Organismen. Nährstoffe werden kontinuierlich wiederverwendet. Müll existiert nicht – alles ist Nährstoff!
Bisher lässt die Ameise den Menschen im Hinblick auf sinnvollen Umgang mit Ressourcen alt aussehen. Dank unserer Wirtschaftsweise seit der industriellen Revolution gehen fast alle Roh- bzw. Nährstoffe verloren. Sie werden verbrannt, landen auf Mülldeponien oder verschmutzen die Umwelt. Dort bleiben sie nicht nur ungenutzt, sondern geben oft auch noch gefährliche Substanzen ab. Das Beispiel der Ameise zeigt: Es geht auch anders! Gesunde Materialien in Kreisläufen ermöglichen uns eine Existenz auf der Erde, die im Einklang mit natürlichen Systemen steht und uns als Nützling agieren lässt. Was wir brauchen, ist ein neuer Umgang mit Ressourcen und Stoffströmen: Schluss mit der kopflosen Vergeudung!“
In diesem Sinne, lieber Bauherr, lieber Produzent, lieber Konsument: Weck die Ameise in dir!