Mahnwache vor dem Amtsgericht

Eigentlich wollte ich nur mal für ein Stündchen reinschauen: Heute, am 11.1.2023, fand im Kemptener Amtsgericht ein Prozess gegen sieben Mitglieder der „Letzten Generation“ statt. Aus den vom Gericht angesetzten zwei Stunden wurden … acht! Und ich bin hängengeblieben. Ich kann hier leider keinen objektiven Bericht schreiben, weil mich das Ganze ehrlich gesagt ziemlich aufgewühlt hat. Schon das massive Polizeiaufgebot vor der Residenz zu Beginn der von Unterstützern organisierten Mahnwache war irritierend – als ob ein Haufen Schwerverbrecher samt gewaltbereiten Unterstützern erwartet wurde! Welch ein Kontrast zu den 40–50 vollkommen friedlichen „Normalos“ aller Altersgruppen, die sich auf den Treppen vor der Residenz versammelte. Im Übrigen verhielten sich auch die Sicherheitskräfte neutral oder sogar freundlich. Aber die Botschaft von „Vater Staat“ kam schon an … (Selbst im Gebäude gab es eine zweite Sicherheitsschleuse direkt vor dem Gerichtssaal, was dem Vernehmen nach nicht üblich ist.)

Wir vom Kempten muss handeln-Kernteam waren zu zehnt bei der Mahnwache, um Solidarität mit den Klima-Aktivisten zu zeigen. Dabei geht es keineswegs darum, ob wir die Protestform(en) gut finden – ich persönlich kann zum Beispiel nichts damit anfangen, ABER: Die Kriminalisierung der „Letzten Generation“ empfinde ich als völlig unangemessen (ob Präventivhaft, Hausdurchsuchungen oder eben Gerichtsprozesse wie den heutigen mit einem derartigen Polizeiaufgebot). Meine Güte, da haben sich ein paar Leute auf die Straße gesetzt! So what? Die Verzweiflung, die sie antreibt, können wohl die meisten nachvollziehen, die sich mit dem Thema Klima- und Umweltschutz beschäftigen (und erleben, dass weder die Politik noch ein Großteil der Gesellschaft angemessene Maßnahmen gegen Klimakatastrophe und Artensterben ergreift).

In diesem Fall ging es konkret um eine vormittägliche Straßen-Sitzblockade am 30. Mai 2022 an der Zufahrt zur B12, unweit des Berliner Platzes. Angeklebt hatten sich übrigens nur zwei der Aktivisten – weitere vier saßen „einfach so“ auf der Straße, eine Aktivistin hatte am Straßenrand gestanden und einem der Sitzenden eine Tube (oder Flasche?) Sekundenkleber gereicht.

Näheres hat die Presse nach meinem Dafürhalten sehr trefflich (und objektiver als ich das kann) dokumentiert:

Artikel in der AZ: In Kempten vor Gericht: So lautet das Urteil gegen sieben Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ [Anmerkung: Ich widerspreche nur der Aussage in diesem Artikel, Kempten muss handeln habe vor Ort „keine große Präsenz“ gezeigt – immerhin stellten wir fast ¼ der Versammelten, zugegeben ohne Plakate oder sonstige Erkennungszeichen.]

Bericht im BR: Aktivisten der „Letzten Generation“ wegen Nötigung vor Gericht (sehr empfehlenswert ist die Audio-Datei, die zu hören ist, wenn man auf das Aufmacher-Foto klickt!)

Juristisch möchte ich mir kein Urteil über das Urteil erlauben; aber wahrgenommen habe ich einen Staatsapparat, der demonstrativ die Muskeln spielen lässt sowie eine sichtlich genervte Richterin, deren Urteilsverkündung und Schlussworte ich – bei allem Respekt – nicht nachvollziehen konnte: Die Sitzblockade sei „Gewalt“-Ausübung (gegenüber den Autofahrern). Oder: Es sei „verwerflich“, anderen Menschen auf diese Weise seine „Meinung“ [sic!] aufzuzwingen. Dass die Sitzblockaden der „Letzten Generation“ Menschen nerven, mag sein. Aber die Kriminalisierung und die Härte, mit der die Aktivisten bestraft werden, steht meines Erachtens in keinem Verhältnis zu der Tat.

Zur Aufmunterung möchte ich ich hier zum Schluss noch die „Lage der Nation“ vom 15.12.2022 zu den Razzien bei Aktivisten der „Letzten Generation“ empfehlen. Die sehen die Aktionen der „LG“ wesentlich entspannter als unser Kemptener Gericht …

Wir haben bei den Aktivisten nachgefragt: Wer möchte, kann sich an den Kosten für das Gerichtsverfahren und den Geldbußen beteiligen. Spenden bitte auf das Konto von Boris Winkelmann, Gls Gemeinschaftsbank, IBAN DE85 4306 0967 8245 8815 03

Sechs der Angeklagten vor Beginn der Gerichtsverhandlung