Im Quartier „Am Alten Holzplatz“ soll eine prächtige, 90-jährige Kastanie wegen eines Bauvorhabens gefällt werden – trotz des Protests von BUND Naturschutz, LBV und FLKE sowie einer Petition mit 200 Unterschriften von Anwohnern. Auf telefonische Nachfrage gab das Baureferat zu Protokoll, dass es für diesen Bereich keine Bauordnung gebe, deshalb gelte das Allgemeine Baurecht laut § 34.
Es ist zum Heulen: Das Umweltamt hat keinen Zugriff auf den schützenswerten Baum, weil in diesem Quartier keine Bauordnung oder Stadtbildsatzung gilt. Das Baureferat beruft sich ebenfalls auf die fehlende Bauordnung – deren Einrichtung sie aber doch eigentlich selbst in der Hand hat. Da beißt sich die Katze in den Schwanz – und der Baumfreund an den Kopf. Doch die Bürokratie folgt ihren Regeln: Man könne nicht „willkürlich“ die Stadtbildsatzung ausweiten oder einen Bebauungsplan aufstellen, nur weil dort ein Baum stehe. Zudem sei eine Überregulierung beim Bauen weder gewollt noch sinnvoll, sagt Baureferent Koemstedt.
Rein rechtlich hat sich die Stadt also nichts zuschulden kommen lassen. Und dennoch fragt man sich: geht das nicht anders, zumal in einer „Pilotkommune für Klimaschutz“? Die Fällung eines großen, 90jährigen Baumes und zusätzliche Versiegelung von Fläche läuft schließlich allen Klimaschutzzielen zuwider und wirft einige grundsätzliche Fragen auf: Ist es noch zeitgemäß, das Baurecht einer Privatperson über das Interesse der Allgemeinheit zu stellen? Gehört so ein Baum mitten in der Stadt nicht ein Stück weit der Stadtgemeinschaft? Schließlich müssen auch alle die Auswirkungen (er)tragen: Überhitzung der Straße im Sommer, Verlust von Versickerungsflächen bei Regenfällen, Verlust von Lebensqualität, von den langfristigen Schäden für Klima und Umwelt ganz zu schweigen. Reicht es, darauf zu hoffen, dass ein privater Baumbesitzer freiwillig gesamtgesellschaftlich verantwortlich handelt oder sollte und darf die Gemeinde lenkend eingreifen?
Ich meine, schon. Denn der Erhalt von Stadtbäumen ist nicht nur eine Frage von Naturschutz: in erster Linie schützen Bäume und Grünflächen die Bürger vor Überhitzung und Überschwemmungen und schaffen ein gesundes Lebensumfeld. Wir müssen also aus reinem Selbstschutz die Stadtentwicklungsplanung stärker an den (Stadt-)Klima- und Umweltauswirkungen auszurichten: Frischluftschneisen, Starkregenschutz, Artenschutz, Gesundheitsschutz und die Lebensqualität aller Bürger müssen bei Bauvorhaben zukünftig zwingend berücksichtigt werden, zumal in einer „Pilotkommune für Klimaschutz“!
Ich meine außerdem: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. In den letzten Jahren ist vielen Bürgern klar geworden, wie wichtig das Stadtgrün ist. Im Umwelt- und Klimausschuss zeichnet sich bereits ein Bewusstseinswandel (oder vielmehr eine Sensibilisierung) ab. Was mir aber in der Diskussion um die Kastanie klar geworden ist: noch wichtiger ist es, dass sowohl dem Baureferat als auch wirklich ALLEN Stadträten im Bauausschuss klar wird, dass unsere Stadtbäume weder Luxus noch Deko-Gegenstände sind, sondern ein wertvolles Gut, das mit allen Mitteln zu schützen ist.
Es ist ja nicht so, dass die Stadträte per se Baumfeinde wären. Das Bedauern ist groß, dass man bei der Kastanie „keine Handhabe hat“. Wir sehen das anders. Deshalb haben wir uns nochmals in einem Brief an die Stadt gewandt, in dem wir Handlungsoptionen aufzeigen:
Grün geht uns alle an!